Depression und der Verlust von ausgeübter Verantwortung


Ich habe heute Nacht ganz deutlich gemerkt, wie sehr mich dieses letzte Jahr geschafft hat. Das wusste ich zwar, aber so richtig angekommen war es nicht. Ich versuche noch immer, kleinzureden, was alles war:

Das sechswöchige Sterben meiner Mutter, die unter ihrer Demenz als nahezu einzige Gefühle mir gebenüber Neid und Unmut waren.

Der grässliche Moment, als sie für Sekunden nur völlig klar war und das einzige Mal in diesen grauenvollen Jahren deutlich sprach und meinte: Das hätte ich auch nie gedacht, dass ich mal doof werde – gefolgt von ihrer Erkenntnis, dass sie im Sterben liegt.

Dieser üble Tag, als sie starb und ich da erst verstand, dass ich jetzt sofort dafür sorgen muss, dass sie von dort fortkommt. All die Telefonate, die Dokumente – völlig irreal all das.

Die Bitte, mir zu sagen, wann sie sie holen, damit ich dabei sein kann – um dann von der besten Betreuerin ever einen Anruf zu erhalten, die Bestatter wären bereits da und könnten keine Viertelstunde warten, bis ich rüberkomme. Mamas Wunsch nach anonymer Bestattung – und dann verstehen, dass mir wirklich niemand sagen wird, wohin sie gebracht worden ist. Das Gefühl, total versagt zu haben.

Die zweitausend Euro, die ich in diesen Wochen für Vintagebarbies ausgab, in dem durchaus bewussten Versuch, gute Kindheitserinnerungen zurückzuholen.

Die Unfähigkeit, sie betrauern zu können, dafür aber immerzu von meinem Vater träumen zu müssen, dem ich elf Jahre zuvor einen Platz zum Sterben hatte besorgen müssen. Was ich wohl ebenfalls nicht wirklich überwunden habe.

Auf den letzten Metern den Pandemie Tage später Covid einzufangen und danach ziemlich flott in Antriebslosigkeit und Sorge hineinzurutschen.

Das wochenlange Warten auf eine Diagnose, bei der Krebs im Raum stand. Eine schmerzhafte Biopsie. Die Existenzsorge durch den Job des Gatten, der wochenlang zuhause verbrachte, nur, damit sich alles in Wohlgefallen auflöste.

Meine zweite Erkrankung, vermutlich doch Covid, sechs Wochen lang komplett am Ende.

Die Renovierung meines Zimmer, die zwei Monate brauchte, die ich dann im vollgestellten Wohnzimmer verbrachte.

Der zu Schrott gefahrene Wagen.

Die Sorgen um den großen Sohn und seine Schulentscheidungen.

Zwei Todesfälle.

Der Einbruch in meinen Umsätzen, von denen nur noch ein Viertel da ist.

Die ständigen Selbstzweifel.

Die zweite Krebsvermutung und die Wartezeit.

Der Ärger mit Mamas Rechnungen und gleich zwei Betrugsversuche in dieser Hinsicht.

Und nun stehe ich da und habe mein Tier darunter leiden lassen, ohne die Kraft und auch den Mut zu finden, das zu ändern.

Ich bin durch. Ganz und gar.