Von der Leserin zur Autorin

Mit vier Jahren brachte ich mir das Lesen bei, weil ich mich nicht länger im Schreibwarenladen meiner Großmutter langweilen wollte. Dort verbrachte ich meine Nachmittage und weder sie noch meine Mutter hatten dann viel Zeit für mich. Logisch, so ein Geschäft betreibt sich nicht von alleine.

Es war als die pure Verzweiflung, die mich ans Lesen trieb. Na ja, und natürlich die Neugierde, denn ich hatte ein riesiges Zeitschriftenregal immerzu vor Augen, in dem Fix und Fox, Tim und Struppi, Asterix und Obelix, Micky Maus und Donald Duck daheim waren. Deren Abenteuer wollte ich nicht nur anschauen, ich wollte sie verstehen.

Von da aus ging es weiter: Mein erstes selbst gekauftes Taschenbuch war Die Reise zu den Sternenhexen und von da aus gab es kein Halten mehr. Ich besuchte den geheimen Gartn, ging mit Hanni und Nanni auf Mitternachtsparties, ermittelte mit den drei Fragezeichen.

Und entwuchs den Kinderromanen, als ich mit zehn über mehrere Wochen nicht in die Schule konnte. Der Nachschub fehlte und so bediente ich mich am Bücherschrank meiner Mutter: Victoria Holt tat es mit besonders an und noch immer habe ich ein Faible für Gothic Novels. Dann aber griff ich – erneut trieben mich Langeweile und Verzweiflung – nach den Buddenbrooks und der Kameliendame.

Oh, ich entdeckte die Klassiker! Ich ärgerte mich über die Arroganz Mr. Darcys und verzieh ihm am Ende doch. Mit den Musketieren jagte ich Mylady deWinter hinterher, ich flehte Effi Briest an, nicht zu heiraten, und amüsierte mich mit Felix Krull in Paris. Ich reiste zum Schloss Gripsholm, tollte mit drei Männern im Schnee, traf mich mit Menschen im Hotel und dem kunstseidenen Mädchen. Und mittendrin fiel mein Blick auf die schwarz-weiß-roten Krimis im Regal meiner Mutter. So kam ich zu meiner nächsten Vorliebe: Kriminalromane!

Mit Miss Marple ging ich ebenso auf Mördersuche wie mit Leonidas Witherall. Ich gruselte mich vor Frankensteins Monster und vor Dracula, fürchtete mich vor der schönen, neuen Welt, überstand 1984 und hasste Homo Faber aus tiefstem Herzen. Harry Potter ließ mich wünschen, den Haushalt mit Magie zu erledigen, und dank englischer Chick-Lit fühlte ich mich mit diesem Wunsch in guter Gesellschaft.

Aber immer, immer, immer stand neben dem Lesen auch das eigene Erzählen und Schreiben. Nichts machte mich glücklicher, als wenn die Lehrerin einen Aufsatz zur Hausaufgabe machte und selbst später noch freute ich mich auf Deutschklausuren wie auf Weihnachten.

Und doch brauchte ich bis zum Sommer 2017, bis ich endlich begann, die Geschichte der jungen Frau aufzuschreiben, die mir schon zehn Jahre lang auf Schritt und Tritt folgte: Fräulein Emma Schumacher, obwohl schüchtern und gelegentlich ungelenk, ließ einfach nicht locker. Gut, sagte ich, eine Geschichte, dann ist es gut. Gucken wir mal, ob ich überhaupt bis zum Ende durchhalte. Tja und jetzt? Jetzt mag ich nicht mehr aufhören …