Undercover auf der Schönheitsfarm


Die Geschichte mit dem kleinen Handtuch hatte ich auf Insta schon erzählt, daher bitte nicht böse sein, wenn sie auch in diesem Beitrag vorkommt; es gehört einfach dazu.

Ob ich es schaffe, heute alles zu berichten, weiß ich noch nicht. Seht es mir nach, ich bin doch noch hübsch elend krank und habe Mühe beim Denken und Tippen.

Nun also. Vor unglaublich langer Zeit habe ich auf Norderney als sehr junge Frau eine Schönheitsfarm geleitet. Wir arbeiteten doch mit den Produkten einer Firma, deren Gründerin in den 1920ern (diese Dekade begleitet mich eben schon immer) mit der Anwendung von Strom auf Haut experimentierte und daraus eine Behandlungsmethode entwickelte, die mit kleinen Abwandlungen auch heute noch praktiziert wird.

Das ist aus zwei Gründen wichtig, zu wissen:
Zum einen wurde diese Firma durch die Leiterin jener Schönheitsfarm, zu der ich in geheimer Mission geschickt wurde, nach Deutschland gebracht – was diese Dame so oft erzählt, dass es besagter Firma nicht mehr lieb sein konnte. Weshalb man dort sehr angetan war von der Idee, dass eine zweite Schönheitsfarm entstehen sollte, die mit ihnen arbeitete.
Zum anderen ist diese Methode mit den Stromapplikationen erstaunlich wirksam, kann aber auch sehr schmerzhaft sein, wenn jemand daraus etwas macht, was so nicht vorgesehen ist. Natürlich bekamen wir Kundinnen, die bei dieser Dame schon gewesen waren, manche seit Jahren. Weil sie mal statt in den Süden in den Norden wollten. Und immer, absolut immer, wurden meine Angestellten und ich gefragt, ob wir das denn richtig machten – das wäre ja alles so angenehm und wir würden ja gar nicht nach Körperhälften abrechnen und überhaupt wäre es so völlig anders. Wir bekamen mit der Zeit ein Bild dieser anderen Farm vermittelt, das ausgesprochen spooky war.

Nun war es so, dass manche der Damen sich beschwerten, weil es ja im Süden anders war. Ok, da tat es weh und vieles war total unangenehm, aber so musste das. Von wegen: Wer schön sein will, muss leiden. Ein Leid, das selten im Verhältnis zur erzielten Schönheit stand, fand ich.

Mein Chef sagte also: ›Hubi Engelchen, wenn du eine Woche von deinem Urlaub opferst, dann zahle ich dir den Aufenthalt. Find mal raus, was die tun, damit du besser argumentieren kannst, bevor sich wieder eine bei mir beschwert und ich mich damit rumschlagen muss.‹

Anfang Dezember fuhr ich in diesen Ort im Süden und traf spät am Nachmittag im Hotel ein. Das Hotel sollte ich natürlich auch unter die Lupe nehmen; wenn schon, denn schon – obwohl Chef nicht davon ausging, dort etwas zu finden, was seinem Haus nutzen würde. Da hatte er recht. Ein Hotel, das sich zwischen Kur- und Konferenzgästen aufteilt, hat nur wenig mit einem Sporthotel an der Nordsee gemein.

Ich war kaum auf meinem Zimmer angelangt, als das Telefon klingelte und eine Dame mit sehr starkem und ebenso falschem fronßischem Akzent mitteilte, dass sie heute Abend nicht mit mir essen gehen könne, sie es aber arrangiert habe, dass ich mit der anderen heute eingetroffenen Gästin speisen würde. Auch das war etwas, was ich oft von meinen Besucherinnen gehört hatte: Madame kam nur dann zum Begrüßungsessen, wenn genug Frauen da waren. Für zwei Frauen lohnte sich die Mühe nicht.

Wie es sich nun ergab, war die andere Dame schon weit in ihren Siebzigern und zum ersten Mal auf einer Farm. Sie war unglaublich nervös und aufgeregt und irgendwie war es dann plötzlich meine Aufgabe, ihr diese Unruhe zu nehmen. Ich war also im Job sozusagen; das kannte ich ja von meinen Sonntagabendsbegrüßungsessen auch, wie fast schon ängstlich manche Kundin auf ihre Woche blickte.

Ok, das war eine ziemlich lange Vorrede, aber jetzt sind wir hoffentlich in der passenden Stimmung: kalter Dezember in einem gar nicht so hübschen, dafür riesigen Hotel und ich undercover – zwar unter meinem eigenen Namen, aber auf keinen Fall vom Fach.

Am nächsten Morgen um neun Uhr sollte ich dann meinen Beratungstermin bei Madame haben. Gemeinsam mit der alten Dame traf ich unten ein. Dort standen wir bestimmt eine Viertelstunde in einem langen Flur, in dem permanent junge Kosmetikerinnen auf und ab rasten, ohne uns auch nur anzusprechen. Kein guter Beginn, fand ich.

Irgendwann hatte ich genug und warf mich einer Angestellten in den Weg.
Die schaute mich etwas verächtlich an, als ich meinte, wir hätten um neun den Termin mit Madame. »Madame kommt nie vor zehn Uhr.«
Ah ja, sehr hilfreich. Sie hatte mir zwar den Termin höchstpersönlich genannt, aber schon jetzt wurde mir der Eindruck vermittelt, etwas falsch gemacht zu haben.

Immerhin durften wir uns in den Wartebereich begeben, der an geblümter Scheußlichkeit kaum zu überbieten war: Dort standen grellbunt geblümte Sofas, dazwischen goldgerahmte Glastischchen in einer solchen Menge, dass wir uns den Weg vorsichtig zum Polstermöbel erarbeiten mussten. Auch Tischlampen waren in großzügiger Menge vorhanden und natürlich Unmengen an Prospekten. Das war schon nicht wirklich gemütlich, auch deshalb nicht, weil die Karawane der vielen, vielen Angestellten pausenlos an uns vorüber eilte.

Noch viel ungemütlicher aber wurde es, als eine uns zurief, wir sollten bitte auf die Bezüge achten.
Hä? Wie jetzt? Da erst entdeckte ich ein Preisschildchen, das von einer Lampe baumelte. Eine stolze Summe stand darauf, die diese Scheußlichkeit niemals wert sein konnte. Und solche Etiketten hingen an allen, absolut allen Gegenständen in diesem Raum. Sollten hier wirklich Möbel verkauft werden – so ganz en passant?

Wirklich kam Madame erst um halb elf und heute denke ich, das hatte Methode. Ich hatte ja die Kundinnen, die von ihr zu uns kamen und die schlimmsten Dinge erzählten, immer gefragt, ob sie sich beschwert hätten. Was keine jemals bejahte. Das wagte man hier nicht und ich denke, dass das daran lag, wie man behandelt wurde. Ich war in solchen Dingen nicht auf den Mund gefallen, aber dennoch saß ich verblüfft und baff und schweigend vor Madame, als sie sich wunderte, dass ich schon da wäre.
»Neun Uhr? Moi? Das habe ich niemals gesagt.«

Da hätte ich ihr eigentlich das Terminkärtchen zeigen müssen, das ich an der Rezeption erhalten hatte: nicht nur mündlich im Telefonat, sondern auch schriftlich hatte sie mir diesen Termin gegeben. Aber ich war viel zu erstaunt von ihrer Chuzpe, um etwas zu sagen. Das steigerte sich noch beträchtlich, als ich erfuhr, wie sich die seltsame Aufteilung meiner Termine erklärte. Ich hatte eine Kur über drei Tage gebucht, in der ich allerdings fünf Körperbehandlungen erhalten sollte. Was natürlich Blödsinn ist: Zwei Mal pro Tag dieselbe Anwendung bringt nicht mehr.

Aber ups, wer hätte es gedacht, das war natürlich mein Fehler, denn wahrhaftig war eine Körperbehandlung auf die Vorder- oder Rückseite beschränkt. Ziemlich raffiniert, dann fünf anzusetzen – wirklich fragte Madame, welche Seite mir wichtiger wäre für die letzte Behandlung oder ob ich vielleicht eine sechste dazubuchen wolle.

Wollte ich nicht, allerdings wagte ich zu fragen, ob ich die Maniküre und die Pediküre eintauschen könne. Ich hielt es bei uns ja so, dass, wenn eine Kundin etwas nicht wollte oder brauchte, ich die dafür angesetzte Zeit nahm und ihr anbot, etwas anderes zu wählen. War hier nicht so. Wenn ich etwas nicht wolle, dann eben nicht.
Ok, dann wollte ich auch keine sechste Körperbehandlung.
Das würde ich gewiss bereuen, meinte Madame.
Ich bereute auf alle Fälle jetzt schon, mich in der geblümten Spinnenfalle zu befinden.

Ich bekam meine Maniküre als Erstes, was absolut sinnlos war, denn meine Kolleginnen hatten mich in den Tagen zuvor auf Hochglanz gepflegt- falls ich auffliegen sollte, müssten wir uns nicht schämen. Öhm ja. Mussten wir auch nicht, denn die Kosmetikerin, die meine Hände verschönen sollte, fand nichts zu tun außer noch ein wenig herum zu polieren und nach fünf Minuten zu sagen, ich könne wieder im Wartezimmer Platz nehmen.
Was mich wieder verblüffte. Wir hatten doch einiges an Zeit eingespart und diese Farm verfügte über Unmengen von Kabinen; da könnten wir doch gleich mit dem Peeling und der Behandlung anfangen?

Aber nein, ich war ja dumm, wie hatte ich annehmen können, ich bekäme eine Kosmetikerin für den gesamten Aufenthalt? Das würde nur für unnötige Nähe und Vertraulichkeit sorgen, erklärte mir die junge Frau, und das wolle Madame nicht.
Ah ja. In einer solchen Woche geht es zwar immerzu um Nähe und Vertraulichkeit, aber Himmel noch, das wollen wir wirklich nicht, dass die Kundin sich wohlfühlt, weil sie eine Bezugsperson bekommt.

Ich hockte also wieder – ganz vorsichtig – auf dem geblümten Sofa und wartete. Und wurde müde und hungrig. Sehr müde. Sehr hungrig. Gefrühstückt hatte ich noch nicht, ich hatte ja gedacht, nur einen kurzen Neun-Uhr-Termin hinter mich bringen zu müssen, und dann essen zu dürfen. Tja …

Dann endlich raste eine recht resolute Person auf mich zu, forderte mich auf, mitzukommen, und rannte schon wieder davon. Ich galoppierte ihr nach, verlor sie aber in dem langen Flur, weil sie in irgendeines des tausend Zimmer entflohen war. Ich stand also wieder etwas doof im Gang und hoffte auf Erlösung. Sie streckte den Kopf aus ihrer Kabine, seufzte und fragte, wo ich bliebe.
Schuldbewusst trabte ich zu ihr. Sie wies auf die Liege und bat mich, mich auszuziehen, ich bekäme jetzt das Körperpeeling. Nun hatte ich in weiser Voraussicht an diesem Tag meine Brille aufgesetzt, weil die harten Linsen nicht gut mit Kosmetika zurechtkamen. Diese Brille legte ich ab, reichte sie der jungen Dame, die sie in Sicherheit brachte. Ich legte mich hin, wir fingen mit dem Rücken an.
So weit, so gut, so macht man das: Man gibt der Kundin Zeit, sich zu entspannen, bevor sie einem die nackte Vorderseite präsentieren soll. Es war, ihr erinnert euch, Dezember. Ich hatte nichts an und wurde nun großzügig mit der Peelingcreme eingerieben, die Wasser brauchte, um verteilt zu werden. Wasser, nackt, Dezember. In einem geheizten Raum kein Problem. Bis die junge Dame mir erklärte, ihr sei zu warm, und das Fenster öffnete. Weit öffnete. Ich bibberte. Und bat um eine Decke.
»Wie soll ich Sie dann peelen?«
Indem sie nur das freilegte, was dran war, dachte ich. Wie man das eben so macht. Zumal man als behandelnde Kraft eben manchmal ins Schwitzen geriet, das war Teil des Berufs. Dass die Kundin friert, sollte niemals geschehen.
Konnte ich das sagen? Eher nicht, weil undercover. Aber es wurde schlimmer, denn sie benutzte nicht die Hände, sondern den Frimator – eine sich drehende Bürste, die super angenehm sein kann. Wenn man sie leicht über die Haut laufen lässt. Was die Dame nicht tat. Offenbar war sie der Meinung, ich wäre ein Schuppentier und müsste daher gründlich abgeschliffen werden. Sie drückte und presste und ich jaulte irgendwann doch auf – am Knöchel schmerzte das schon sehr. Ihre Antwort: »Sie sind aber wirklich sehr empfindlich!«
Sorry. Sie schrubbte also weiter und nahm auch an Gelenken und fettarmen Stellen keine Rücksicht. Nachher sah ich vier offene und blutende Stelle. Meine Schuld, nehme ich an. Im selben Raum befand sich die Badewanne, die während dieser Prozedur einlief. Ein Fichtennadelöl wurde darin verteilt und ich hatte – frierend, müde und hungrig, dazu gequält von meiner Zuchtmeisterin – nur den einen Wunsch, in diesem warmen Wasser zu versinken.

Erleichtert, meine Qual beendet zu wissen (und ein Körperpeeling sollte wohltuend sein), sprang ich von der Liege und wollte zur Wanne. Dennoch wickelte mich die Kosmetikerin in ein Handtuch, das knapp über den Po reichte und die Brust nur knapp bedeckte.
Das fand ich seltsam, die zwei Schritte hätte ich auch nackt gehen können, nachdem ich ja nun schon die ganze Zeit frierend vor ihr gelegen hatte. Doch auf halbem Weg zur Wanne packte sie mich an den Schultern und drehte mich Richtung Ausgang. Sehr streng erklärte sie, so könne ich nicht ins Wasser steigen, ich würde ja den Ausfluss verstopfen mit meinem Peeling.
Logisch, die Rohre werden lahmgelegt, wenn du in die Wanne steigst, nicht aber, wenn die Körnchen durch die Dusche abfließen. Nun nahm ich an, sie brächte mich in einen Nebenraum und bat daher auch nicht um meine Brille. Was ich sehr bereute, als ich realisierte, dass es raus aus dem geschützten Raum der Farm hinaus in den Hotelflur ging und ich in den Aufzug geschoben wurde, um in meinem Zimmer zu duschen.
So schnell konnte ich gar nicht reagieren, wie sich die Türen hinter mir schlossen und der Aufzug losfuhr. Blind, frierend, tropfend und bemüht, das Handtuch nicht zu verlieren, landete ich drei Stockwerke höher in meiner Etage. Mein Zimmer lag geradeaus, keine zwanzig Meter entfernt, am Ende eines kleinen und dunklen Ganges. So zumindest hatte ich es vom gestrigen Abend in Erinnerung und auch am Morgen hatte dort alles im Dunkeln gelegen.

Was ich nicht bemerkt hatte: Auf der einen Seite waren keine Gästezimmer. Sondern ein Seminarraum.
Ein verglaster Seminarraum.
Ein verglaster Seminarraum, der nun voll besetzt war.
Was ich nicht gleich sah, ich war ja blind.
Hören aber konnte ich.
Was ich hörte?
Die Pfiffe von etwa zwanzig Männern, die aufsprangen und johlten, die Tür aufrissen und mich einluden, zu ihnen zu kommen.

Ich wollte zurück, drehte mich hastig um und sah, wie die Aufzugtüren sich vor mir schließen. Alles Drücken und Klopfen nutzte nix, das Ding war weg.
Nicht weg war das Gelärme hinter mir. Erwachsene Männer im Anzug, die sich ganz gewichtig über irgendwas belehren ließen, hatten nicht Anstand genug, sich zurückzuhalten. Das hier war, ich möchte es noch einmal betonen, kein Junggesellenabschied (der ja auch anständig verlaufen könnte …), sondern ein seriöses Businessseminar.
Mir blieb nichts weiter übrig, als an der Meute vorbeizuhasten, noch immer blind, frierend und tropfend und jetzt auch zutiefst verlegen. Ich duschte und zog mich an, dann raste ich wieder zum Aufzug und überhörte die erneuten Rufe, in denen die Aufforderung erklang, die blöden Hosen doch wieder auszuziehen.

Unten angekommen empfing mich die Kosmetikerin mit strengem Blick. Ich wäre zu lange fortgeblieben und wieso ich mich angezogen hätte, so würde ja noch mehr Zeit verschwendet. Ich war mittlerweile bereits so daran gewöhnt, geschulmeistert zu werden, dass mir nichts Besseres einfiel, als mich zu entschuldigen. Ich verhielt mich genau wie all die anderen Frauen, die mir von dieser Farm erzählt hatten. Da hatte ich nicht begreifen können, warum sie sich das gefallen ließen, da macht man doch den Mund auf, nicht wahr?

Man tut es nicht. Ich schlüpfte eiligst aus meinen Sachen und durfte nun in die Wanne. Ich war selig.
Dachte ich. Kaum saß ich darin, da drehte die junge Dame die Blubbermaschine ein (mir fällt einfach der passende Begriff nicht ein – wir hatten so etwas auch: ein Gitter, das durch einem Schlauch mit einer Luftzufuhr verbunden ist und so das Wasser ähnlich wie in einem Whirlpool aufbraust, was eine herrliche Massage für den Rücken ist. Oder sein kann …)

Sie drehte am Knopf und verließ das Bad. Ich lehnte mich zurück und genoss das sanfte Kribbeln der Bläschen, die meinen Rücken hinaufliefen. Ja, ich dachte sogar, etwas entdeckt zu haben, was wir kopieren könnten, den dieser Blubbler wurde langsam stärker, anstatt gleichmäßig zu arbeiten. Das war angenehm.
Zumindest so lange, bis die Wannenauflage, die über dem Gitter lag, das erste Mal durch den Luftdruck nach oben gegen meine Waden schlug. Huch. Das war seltsam. Ich stellte meinen Fuß auf die Auflage. Was nicht mehr ganz so bequem war. Es blubberte noch stärker, das Wasser spritzte hoch und höher. Fichtennadelschaum im Auge ist nicht toll. Jetzt schlug die Auflage gegen meinen Rücken. Ich setzte die Hand dagegen und hockte nun mehr oder weniger quer in der Wanne, darum bemüht, diese Auflage zu bändigen.
Noch immer steigerte sich die Luftzufuhr. Es war wie im Wellenbad und das ist nicht übertrieben. Die Auflage hob ab, mit mir darauf. Ich wog damals nun wirklich nicht viel, aber das war nun doch nicht zu erwarten gewesen. Hin und her wogte das Wasser, es spritzte nicht mehr, es ging in Wellen über den Rand. So langsam wurde ich panisch, ich schluckte ja immer mehr von dem grünen Zeug. Ich klammerte mich an den Wannenrand, lehnte mich hinüber und versuchte, den Hebel zu erhaschen.
Am liebsten wäre ich natürlich aus der Wanne gestiegen, doch ans Aufstehen war nicht zu denken, es hätte mich hochkant hinauskatapultiert. Ich lehnte also hinaus, doch noch bevor ich das Gerät erreichte, schaltete es sich aus. Wirklich erschöpft ließ ich mich zurücksinken.

Die Ruhe währte nicht lange, denn die Tür sprang auf und die dritte Kosmetikerin an diesem Tag stürmte herein und erklärte, sie würde mir jetzt eine Körpermassage verabreichen. Dann sah sie sich um, schüttelte den Kopf und fragte, was ich denn bitteschön hier angestellt hätte, es sähe ja schlimm aus. Und obwohl ich wütend wurde, musste ich mich zurückhalten, um nicht aus der Wanne zu klettern und sauber zu machen.

Ich hoffte nun also auf eine entspannende Massage. Wieder wurde das Fenster aufgerissen, wieder bat ich entweder um eine Decke oder darum, das Fenster zumindest auf kipp zu stellen. Beides geschah nicht und wieder hielt ich die Klappe. Wegen undercover einerseits und vollkommen zerschmettertem Selbstbewusstsein andererseits.
Die Massage ließ sich gut an. Wäre sie meine Angestellte gewesen, hätte ich zwar noch ein wenig mit ihr geübt, die richtigen Punkte sich zu treffen und weniger über die Knochen zu hämmern, aber sie hatte weiche und warme Hände und massierte im gleichmäßigen Tempo. Sie bearbeitete meine Waden, meine Oberschenkel und ich war bereit, trotz Kälte einzuschlafen. Bis ich zusammenzuckte. Weil es bei einer Massage natürlich immer mal geschehen kann, dass man ausrutscht und jemanden intimer berührt, als man es beabsichtigt hat. Öl und Wärme sind manchmal schwierig zu kontrollieren. Wenn das aber wieder und wieder passiert, dann fängt man doch an, sich zu wundern.
Das wiederholte sich so oft, dass ich, wäre sie ein männlicher Masseur gewesen, ihr eine Ohrfeige verpasst hätte. Ich lag also ziemlich verkrampft da und tat so, als bemerke ich nichts. Entspannung war also weiterhin Fehlanzeige.

Nach einer halben Stunde dann war ich entlassen. Ich schnappte meine Brille, zog mich eilig an und wollte nun nichts weiter, als mir irgendwo etwas zu essen besorgen und diesen Ort hinter mir lassen.
Leider lief ich Madame in die Arme, die mich empört betrachtete und mit dem Finger wackelte, als wäre ich ein unartiges Schulkind, dass die Direktorin außerhalb des Unterrichts erwischte. Ihr Charme war so falsch wie ihr französischer Akzent, als sie mir erklärte, sie habe das Polieren meiner Fingernägel auf die Rechnung gesetzt.
Mehr als ein eloquentes ›Hä‹ fiel mir zunächst nicht ein. Ich stand da und hörte zu, wie sie davon sprach, dass das Polieren eine Zusatzleistung sah, da das Pulver sehr teuer wäre. Dann wollte ich etwas sagen. Sehr viel sogar. Zusatzkosten werden schließlich vorher abgeklärt und dass das Pülverchen viel koste, war eine unverschämte Lüge.
Aber ich blieb ruhig und meinte nur, dass das ja das Einzige gewesen wäre, was an meinen Nägeln zu tun gewesen wäre; die behandelnde Kraft habe weder gefeilt noch massiert, sondern nur poliert, und das dürfe man doch wohl –
»Ah, Mademoiselle Über, das sehen Sie ganz falsch.« Sprach es und ließ mich stehen. Ich war auf ganzer Linie geschlagen.

So, das ist jetzt schon sehr, sehr lang geworden. Wie es weiterging in diesem gemütlichen Etablissement, erzähle ich demnächst. Man darf sich freuen auf Schläge, Stromstöße, Lehm und Flucht.