Risiko!


Über die üblichen Themen populärer Bücher und das gewünschte gute Ende in Romanen habe ich neulich schon gesprochen. Nun fällt mir noch mehr zu diesem Thema ein, denn ich verzichte oft und ganz ohne böse Absicht darauf, mittlerweile liebgewordenen Erwartungen in der Bücherwelt zu bedienen. Dinge wie:

  • Wenn Chef und Angestellte immerzu streiten, geht man als gewiefte Leserin davon aus, dass beide am Ende zusammengekommen.
  • Wenn die Heldin ihren Gemahl in der Armen ein spärlich bekleideteten Dame vorfindet, liegt das Gewitter schon in der Luf.
  • Wenn die Heldin sich auf den ersten Blick verliebt und es wirklich schafft, ihren Traumprinzen zu heiraten, geht man von ewigem Glück aus.
  • Wenn um eine Krone gekämpft wird und eine der Bewerberinnen die stärkste aller Vampiras ist, darf man wohl annehmen, sie wird die Königin.

Es gar nicht einmal so, dass ich unbedingt etwas Besonderes schreiben will. Nein, ich lasse meine Figuren handeln, wie sie es für richtig halten. Weil ich charaktergeführte Romane schreiben, nicht plotgetriebene. Was, wie ich vermute, bei manchen Leserinnen zum Klick auf den ‚So-ein-Schund‘ = Ein-Sterne-Button geführt haben dürfte. Und bei anderen dazu, mit mir eMails zu tauschen oder mich sonstwie zu kontaktieren oder alles zu lesen, was ich herausbringe (dafür ein riesiges Danke – ihr ermöglicht mir, die Ein-Sterne-Vergaben nicht mehr zu beachten).

So weit, so gut. Aber was wäre das (Autorinnen-)Leben ohne ein klein wenig Aufregung? Ein bisschen Gefahr und Risiko?
Tja, no risk, no fun – das kann ich normalerweise nicht nachvollziehen; ich bin eine eher ängstliche Person, die ganz gerne auf ihrem vermeintlich sicheren Sofa hockt und ihre Abenteuer beim Schreiben erlebt. Aber da bin ich sehr, sehr wagemutig. Weil ich nicht anders kann. Ich stürze mich also nicht nur kopfüber in meine Geschichten und lasse meine Figuren die Handlung bestimmen (was mir schon mehr als eine schlecht verbrachte oder gar durchwachte Nacht beschert hat!), nein, ich breche auch noch Regeln.
Ich!
Regeln, die in Stein gemeißelt sind. Regeln, wie sie vor allem für Kriminalromane gelten:

  • Der Mörder darf nicht erst im letzten Drittel in Erscheinung treten.
  • Es dürfen keine offenen Fragen bleiben.
  • Jede Szene muss zum Plot beitragen.
  • Das Böse muss bestraft werden.

Tja. Hmm. Was soll ich sagen? Ich gebe der ‚So-ein-Schund‘ = Ein-Sterne-Button-klick-Fraktion eben noch einige gute Gründe mehr, auf den ‚So-ein-Schund‘ = Ein-Sterne-Button zu drücken. Ich sammele mitunter so viele kleine Sternchen, dass ich mir als ausgesprochen wagemutig und regelverletztend vorkommen darf. Verwegen geradezu. Dabei bin ich einfach nur eine Autorin, die sich viel zu gerne von den Möglichkeiten verführen lässt, eine Geschichte von meinen Figuren und meinen eigenen Vorlieben zu bestimmen. Vielleicht ist das die einzige Regel, die für mich wirklich gilt: Schreibe, was du selber lesen magst. Und manchmal ist mir danach, genau das zu tun, was man nicht tun soll. Weil es für diese besonderen Figuren, diese bestimmte Geschichte passt.

  • Weil nun einmal ein überragender Mr X, der im Hintergrund die Fäden zieht, kein überragender Mr X wäre und schon gar nicht im Hintergrund agierte, wenn er mir alle zwei oder drei Seiten über die Zeilen hüpfte.
  • Weil es so viele offene Fragen jeden Tag für uns gibt, gibt es sie auch für meine Heldin.
  • Weil ein Auslassen jeder Alltagsanekdote, jeder menschlichen Überlegung oder jeder Sorge abseits des Plots für mich eine Geschichte ergibt, die so ermüdend ist wie eine Autofahrt mit Tachomat.
  • Weil das Böse bei mir sicherlich nicht glücklich davonkommt, das Glück der Unschuldigen aber von anderen Dingen als der Bestrafung abhängt und ich dafür mehr Zeit aufbringen mag.

Nun, so sieht das bei mir auf dem Sofa aus. Ich hocke hier megariskant neben dem Kuschelhund auf der Heizdecke (solltest du das im Sommer lesen, dann zerfließe ich vermutlich bei offenen Fenstern und der Hund liegt auf dem kühlen Boden) und trinke Kaffee mit Caramelsirup. Gewagt und mutig, oder?
Ok. Eher nicht. Weil ich nämlich für die jenigen Leserinnen und Leser schreibe, die genau so unterhalten werden wollen, wie sie es von mir bekommen. Das ist nicht riskant, das ist einfach nur herrlich.